04.05.2009

Die sieben Gezeichneten

G7 Wir haben ja lange Jahre damit zugebracht, die Welt Aventurien zu retten – zumindest die Charaktere, die jetzt als die sieben Gezeichneten oder auch als “Zeitlose Helden” bekannt sind. Einen Teil meiner Memoiren (Bzw. die von Leilani von Beilunk) habe ich ja in elektronischer Form, einen weitaus größeren Teil auch noch als Handschrift- Buch. Und nachdem ich für meinen Teil gerne unsere alten Abenteuer (siehe auch Simyala) im Internet gesichert sehen möchte, beginne ich mal damit, ein bisschen in der Vergangenheit zu kramen – vielleicht ist ja auch beim einen oder anderen ein wenig Nostalgie mit dabei. Leilanis Hintergrundgeschichte möchte ich an dieser Stelle auch noch einbringen, auch wenn diese nie ausgespielt wurde.

Kapitel I: Kindheit und Jugend

Wie alles begann? Heute scheint mir, dass Hesinde einen Schleier über diese Zeit gelegt hat, denn wer nicht nur einmal, sondern gar zweimal seine Wurzeln verliert, kann wohl den falschen Weg einschlagen – wie viel besser ist es heute, wo ich weiß, warum alles so kommen musste, wie es letztendliche gekommen ist.

Wage ziehen Bilder an meinem Auge vorbei, fast so wie damals, als wir in Borbarads dunkler Feste in das schwarze Auge sahen.

Ich sehe wie der ganze Stamm der auf dem Dorfplatz zusammen kommt, um die Geburt eines Kindes zu feiern, der Vater hatte schon Herzschläge nach der Niederkunft das Bildnis Kamaluqs in den Stamm eines Tehara Baumes geritzt. Und als er mit strahlendem Lachen seine neue Tochter hochhielt, da schlug aus heiterem Himmel ein Blitz in den Baum ein. Die grünen Augen, die wie die Augen des Nebelpanthers glitzernden, öffneten sich vor Schreck, doch die Männer und Frauen rund um den Säugling waren glücklich – das Auge des mächtigen Jägers hatte für Herzschläge auf dem Kind geruht.

Ich sehe, wie das ein kleines Mädchen durch den dichten Dschungel schleicht, gewandt wie eine Yako[1], den Speer in den zu kleinen Händen, den Wasserbüffel mit gelassenem Blick abschätzend. Ich sehe wie sie wenig später die Beute ins Dorf bringt und zum ersten Mal das Kaja[2] der Simba[3] aufmalt.

Ich sehe die geschnitzte Figur, die Onihanasa, der Geistseher des Stammes ihr als Zeichen gibt, das die Kindheit vorbei ist und sie jetzt zu den Stammeskriegern gehört. Ich sehe Freude in den Augen, aber auch den jähen Schrecken, als fremde, hellhäutige Männer und Frauen den Dorfplatz stürmen, und einen geliebten Menschen nach dem anderen mit Wurfnetzen fangen, mit Knüppel niederstrecken und denjenigen, die sich wehren, ihre Klingen in den Leib treiben.

Key- Ko wehrt sich nicht, sie ist schwach, ein Kind noch, wehrt sich auch nicht, als ihr auf einem schaukelnden Schiff fremde Männer widerwärtig lüsterne Blicke zuwerfen, als sie gefesselt wird und eine hässliche alte Blasshaut mit einem Messer an ihrer Haut zu schaffen macht. Sie versteht die Sprache der Fremden nicht, die sie und Dutzende andere ihres Stammes gefangen haben, sie sieht nur die Hautbilder: Ein blutroter Krake, ein Untier aus den Untiefen des Meeres, das jeder vernünftige Utulu meidet..

Sie versteht nicht, was die Fremden schreien, doch als Waffen klirren und Holz auf Holz prallt, während langsam Wasser aus den Wänden fließt und den schwankenden Schiffsboden bedeckt, erkennt sie den Kampf. Sie sieht, wie ihr Onkel gefesselt ertrinkt, hört ihren Vater schreien, als er durch ein Loch in der Wand ins Meer gesogen wird. Sie kann sich nicht erklären, wie sie später wieder die Augen öffnet, wieder auf einem Schiff, dieses Mal aber ohne Fessel, während freundliche Blicke auf ihr ruhen und ihr jemand einen Krug Wasser in die Hand gibt.

Heute weiß ich was passiert ist: Der Mann, der mir damals das Wasser gab, der Geschützmeister und Graf Balthusius Deriger von Waldingen, hat es mir erzählt. Er erzählte mir oft an langen Abenden vor dem Kamin davon, wie sie das Schiff der Sklavenjäger und Piraten vom „roten Kalmar“, wie sie sich nannten, am Horizont erblickten, wie das Totenkopfbanner gehisst wurde, und wie er den Befehl des Kapitäns zum Feuern nachkam. Wie sie das Schiff mit Rotzen, Ahlen und Böcken in Stücke geschossen haben, wie er, nachdem das Schiff gesunken war, ein kleines, halbtotes Mädchen aus dem Wasser zog, das es geschafft hatte, sich trotz Fessel um Arme und Beine irgendwie an eine Planke zu klammern, und zu überleben.

Ich musste schnell lernen, und das tat ich – schon, als wir in Nostria[4] ankamen, konnte ich einige Brocken Garethi sprechen, und hatte mich auf dem Schiff nützlich gemacht. Als ich eine Woche später in Begleitung des Grafen in Waldingen ankam, und zum ersten Mal die Palisaden aus Steineichenstämmen durchschritt, konnte ich ihm wenigstens schon danken und neugierig fragen, was dies und das sei. Heute ist das Garethi meine Muttersprache, meine Gefährten und ich teilen vieles, aber gerade diese Sprache, mit der wir uns miteinander verständigen, mussten wir alle lernen, um uns in der Welt zurecht zu finden.

Ich denke auch heute noch gerne an die Zeit zurück, als ich im Wald Fechtstunden mit dem Wachführer abhielt, den Rondra Geweihten zuhörte, wie sie unablässig die Lehren der himmlischen Löwin verkündeten, die mich sehr an Kamaluq, meinen Gott, erinnerte und wie ich im Wald und im Fluss herumtobte – meistens alleine. Die anderen Kinder mieden mich, weil ich ihnen mit meiner tiefschwarzen Haut und dem starken Akzent wie eine Ausgeburt der Niederhöllen vorkommen musste, nur der Neffe meines Ziehvaters, Adbert, musste manchmal mit mir spielen und er ließ mich spüren, das ich auch ihm nicht geheuer war. Er war ein geborener Herrscher: Die blonden Haare, die königlich ausladende Nase und der Gang, der ihm seit seiner Geburt an in die Wiege gelegt war, beeindruckten mich, und machten mir auch Angst – er würde der nächste Graf sein, denn mein Ziehvater hatte keine Kinder, seine Gemahlin war verstorben. Ich kann sehr gut verstehen wie wütend Adbert gewesen sein muss, als er erfuhr, das der Graf die mittlerweile wohl etwa 14 Götterläufe alte Schwarze, mit allen Rechten und Pflichten adoptiert hatte. Indira Rondriga Deriger von Waldingen, so stand mein Name von da an in der Adelsrolle. Damals verstand ich noch nicht, was das für mich bedeuten würde, ich merkte lediglich, das mein Hoflehrer auf einmal von mir verlangte Staatskunde, Diplomatie und Recht zu lernen, während ich gerade anfing, bei den Waffenübungen mit den Wachen und dem Rondra Geweihten Fortschritte zu machen. Als Vater, wie ich den Graf ab jetzt nennen durfte, von einer seiner Seereisen zurückkehrte, beschloss er, dass ich beides lernen sollte, und so wurde ich ans Meer geschickt, direkt nach Nostria, in die Kriegerakademie der Hauptstadt.

Es war eine lehrreiche, aber harte Zeit: Es zeigte sich bald, das meine Fähigkeiten mit dem Schwert allen anderen überlegen war, ging es aber um den Kampf mit hesindianischen Gaben, zog ich meistens den kürzeren. Und auch in Nostria war ich fast immer alleine: Die andere Schüler wollten selten mit „einer wie mir“ in den Kneipen der Stadt gesehen werden, wenn wir unsere heimlichen, nächtlichen Ausflüge machten, doch so lernte ich schnell, das es genug nette Menschen gab, wenn man nur aufmerksam genug die Augen nach ihnen offen hielt.

Gerade die vielen anderen, die „anders“ waren, die genauso wie ich öffentlich angefeindet oder gemieden wurden waren die, von denen sich ein Mädchen im ungewohnten Dschungel der Großstadt Hilfe erhoffen durfte. Ich erinnere mich noch genau an Jost, einen etwas seltsamen Alten, der in einem der Kriege zwischen den Königreichen Nostria und Andergast nicht nur sein Auge verloren hatte, sondern auch einen Teil seines Verstandes – wenn ich aber mit einer Blessur, einer Krankheit oder einfach nur traurig zu seiner alten Kate im Hafen kam, dann konnte er mir auf die eine oder andere Art und weise helfen.

Nur ein Jahr später wurde ich wieder zurück nach Waldingen geschickt. Es hatte sich gezeigt, dass mir die Schwertmeister nicht mehr allzu viel beibringen konnten, und mein Vater wollte einen Teil der Erziehung lieber selbst in die Hand nehmen, jetzt wo er nicht mehr allzu oft die Seeadler bestieg und in die Ferne aufbrach. Nach einem Jahr in der Stadt sah ich mein Zuhause plötzlich mit anderen Augen: Die Dörfchen Buttermark und Fährhof nahm ich als solche schon gar nicht mehr war, umso mehr entdeckte ich aber in Waldingen selbst. Erstmals sah ich wirklich die raue Schönheit der wilden Natur, die riesenhaften Steineichen, deren Holz vor allem im Schiffbau gebraucht wurde, den Dorfsee und ich lernte auch die Schlammwichtel und Quellnymphen schätzen, die ich während meiner Entdeckungsreisen in der Wildnis kennen lernte.

Auch hatte das Jahr in der Ferne mich gefügiger gemacht, die Lehren Rondras nicht nur zu hören, sondern auch zu verstehen. Tief in mir fühlte ich bei jedem Vers eines Gebetes, bei jedem Schlag und jeder Wehr, was die himmlische Leuin ihren derischen Gläubigen zu geben vermag. Ich denke es war der 10.Rondra, als ich gegen meinen Vater focht, nicht in der Fechthalle, sondern im Wald, während eines unserer Ausflüge zu Pferd. Mit hellem Klang trafen sich Eichenschutz, das Schwert meines Vaters, und die neue Klinge des Langschwertes, das er mir wenige Tage zuvor an meinem Tsatag zum Geschenk gemacht hatte. Seine Schläge kamen hart, aber vorhersehbar, ich nahm die ersten hin, suchte nach der Lücke, die es mir ermöglichen sollte, seine Deckung zu durchbrechen. Und da hörte ich es zum ersten Mal: Der Rhythmus unserer Schläge wurde zur Musik, zum Takt, der alles vereinnahmte und ich wusste was zu tun war: „Brich den Takt und brich so den Gegner!“ – jetzt verstand ich auf einmal die Worte des alten Lehrmeisters aus Nostria, der mich in unzähligen Übungen aufgefordert hatte, hinzuhören. Es war so einfach! Ein paar Schläge noch und dann durchbrach ich die Deckung fast wie von alleine. Das Schwert meines Vaters flog in hohem Bogen durch die laue Luft und blieb im weichen Waldboden stecken. Großer Stolz machte sich in seinem Gesicht bemerkbar, als er mich in die Arme nahm und mit mir nach Hause ritt.

Ein Jahr später war er tot. Die Nachricht erreichte mich unerwartet. Ich war wohl gerade ins Gespräch mit einer der jungen Küchenmägde vertieft, als mich Kenda, die Wirtin des Honigtopfes zu sich rief. Mit belegter Stimme erzählte sie mir, dass sie in Nostria gehört habe, das die Seeadler abgängig sei, man vermute sie wäre von Thorwalern oder AlAnfanern versenkt worden. Sie überreichte mir ein Schreiben des Vizeadmirals Niel Vandeuten, der mir in gestelzten Worten mitteilte, dass mein Vater für tot erklärt worden sei und gratulierte mir im selben Atemzug zu meinem neuen Grafentitel.

Wie im Traum lief ich in den Wald, ich achtete nicht auf den Regen und das Gewitter rund um mich, das mich von Kopf bis Fuß durchnässte und sich mit den salzigen Tränen auf meinen Wangen vermischte. Irgendwo, mitten im Dunkel der dichten Steineichen kam ich wieder zu mir und schickte in einem klaren Moment ein Gebet an den Herrn Boron, damit er die Seele meines Vaters gütig aufnehmen solle... Ich blieb wohl die ganze Nacht dort draußen und dachte darüber nach, wie mein Leben weitergehen soll. Ich wusste dass die Bevölkerung mich ohne meinen Vater wohl nur schwer als rechtmäßige Regentin anerkennen würde, auch hatte ich noch lange nicht genug gelernt, um mich den Aufgaben gewachsen zu fühlen.

Doch was sollte ich sonst machen? Gerade als ich meinen Blick in den wolkenverhangenen Himmel gehoben hatte, und nach Anzeichen für die aufgehende Praiosscheibe suchte, zuckte ein letzter Blitz von Osten her über den dunklen Himmel, Herzschläge später dröhnte mir der Donner schwer in den Ohren, als hätte die Göttin persönlich das Wort erhoben. Und tief in meinem Inneren spürte ich, das es vielleicht eine Antwort auf die Frage gewesen war, die ich die ganze Nacht schon gen Alveran gesandt hatte.

Noch am selben Tage sammelte ich einige wenige Dinge zusammen und ließ ein Schreiben an meinen Cousin aufsetzen, indem ich auf den rechtmäßigen Anspruch auf Titel und Thron verzichtete. Als letztes nahm ich Eichenwacht an mich und sattelte Cankuna[5] , meinen treuen Apfelschimmel, den Vater mir zum 16 Tsatag geschenkt hatte. Ohne noch einmal zurück zu blicken, ritt ich den Pfad entlang, der mich quer durch Winhall nach Osten bringen würde, ins Mittelreich


[1] Mohisch: Raubkatze

[2] Gesichtsbemalung

[3] Kriegerkaste

[4] Ein Königreich im Nordwesten Aventuriens

[5] Mohisch: Flink

  1. Was lange wärht, wird doch noch wahr.
    Bravo!

    Freu mich schon auf den nonelektronischen, ergo: mir unbekannten Teil.

 

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