06.05.2009

Die sieben Gezeichneten – Teil II

Kapitel II: Der Weg zu Rondra

G7Über Winhall und Gratenfels gelangte ich relativ schnell nach Angbar, einer wunderschönen Stadt am Fuße des Kosch. Der Charme, der aus der Mischung aus Zwergenstadt, Tavernen und dem Angbarer See ausging, konnte mich allerdings nicht abhalten, schnell noch weitere Meilen zwischen mich und Waldingen zu bringen, und so zog ich quer durch die Grafschaft Waldstein, durchquerte auch Hartsteen und Ochsenwasser und fand mich bald in der Warunkei wieder. Doch erst in Beilunk, der wehrhaften Stadt an der See, fühlte ich mich etwas heimeliger. Der Kult der Rondra war hier besonders stark, und der Kriegshafen und die engen Gassen im Hafenviertel erinnerten mich an meine Zeit in der Akademie in Nostria.

Ich fand eine Bleibe in einer billigen Schenke im Ostteil der Stadt und verbrachte die ersten Tage und Wochen fast ausschließlich im Tempel der Rondra, wo ich in stillen Gebeten zur Göttin versuchte zu erfahren, ob dies das Ziel meiner Reise sein sollte. Die Antwort kam unerwartet: Eine junge Geweihte, Djanara, trat eines Tages an mich heran und versuchte im Gespräch zu erfahren, was eine zugegeben seltsame Gestalt wie mich hier in die Hallen der Göttin verschlagen hatte. Unser Gespräch dauerte bis tief in die Nacht und wurde im Seestern, einer Hafentaverne weitergeführt und endete erst in den frühen Morgenstunden. Djanara allerdings war wohl nicht wie ich ins Bett gefallen, sondern hatte zuerst dem Tempelvorsteher, Ingalf Leuentreu von Beilunk, Bericht erstattet. Als ich am Abend Djanara wieder sehen wollte, empfing mich der strenge Krieger mit dem wallenden, grauen Haar und ging mit mir auf den Turnierplatz des Tempels. Es ging ihm wohl nicht nur um ein Kräftemessen, sondern während dem Kampf, in dem ich hoffnungslos unterlegen war – wir fochten mit dem Anderthalbhänder, eine Waffe, der ich bis heute das Schwert vorziehe - schien er unablässig in sich hinein zu hören, auch schienen seine Blicke, die er auf mich warf, nicht als ob er eine Lücke suchte, sondern eher prüfend.

Als er mir mit einem raulschen Spiralschlag die Klinge aus der Hand schlug, war ich mitnichten geschlagen, sondern vielmehr für würdig befunden, eine Novizin der himmlischen Löwin zu werden.

Die Wochen und Monde danach vergingen wie im Flug. Ich hatte viel zu lernen, auch wenn meine Kampfeskunst aufgrund meines für eine Novizin hohen Alters herausragend gut war, ließen meine Kenntnisse des Bosparano, des Urtulamydia und anderen Hesinde gefälligen Fächern wie Kriegskunst, Recht, Derographie und Kirchengeschichte wohl zu wünschen übrig. Doch mit Hilfe anderer, jüngerer Novizen und Geweihten konnte ich meinen Rückstand bald aufholen. In meiner kurzen Freizeit hatte ich mich mit einem Adepten der Magierakademie Schwert und Stab angefreundet, mit dem ich des Nachts im Hafenviertel umherzog und das eine oder andere tat, das wohl in Praios gestrengen Augen nicht all zu gerne gesehen war.

An meinem 21. Tsatag wurde mir ein besonderes Geschenk zu Teil: ich erhielt feierlich die Weihe zur Geweihten der Rondra. Meinen Weihenamen hatte ich mir schon Monde vorher überlegt: Lei- la- ni, die Löwin, die alleine jagt. So heimelig es in Beilunk auch war, ich hatte nicht vor, hier zu bleiben, vielmehr hatte der Unterricht mein Interesse an Dere geweckt und ich brannte darauf, mehr von der Welt zu sehen. Wenige Tage später hatte ich mich von allen verabschiedet und saß stolz in meinem neuen reinweißen Wappenrock auf meinem treuen Cankuna, beide Schwerter auf dem Rücken, den Rondrakamm an meiner Seite, und brach auf, um erst mal den Rest von Tobrien zu sehen. Weit sollte ich nicht kommen, denn schon in Mendena, der anderen großen Hafenstadt Tobriens, sollte ich noch ein Jahr verbringen.

Hell, aber trutzig thronte die Burg auf einem Hügel oberhalb Mendenas, und die Flaggen der Rondrakirche wehten im Wind, der vom Meer her hereinkam und den würzigen Fischgeruch der Garküchen im Hafen in die Altstadt herauf trug. Ich hatte mir einen Platz an einem der Tische vor der Taverne Schildspalter gesucht und trank genüsslich den jungen Obstwein, während ich dem Gespräch am Nachbartisch lauschte. Zwei Geweihte der Rondra, angetan mit schwarzem Kettenhemd und schwarzem Wappenrock, die beide das Zeichen des Ordens von Mendena trugen: Schwert und Schild in Silber auf dem schwarzen Nachthimmel, darunter die Burgmauer der Ordensfeste. Ich hatte schon von diesem Orden gehört, und wusste auch von seiner Geschichte:

Im Jahre 40 vor Hal tat sich die Ritterin der Göttin Alara Wogenklinge von Perricum während eines Angriffs charyptider Ungeheuer auf den Hafen der Stadt zusammen mit einigen Getreuen derart hervor, das ihr Antrag einen Rondragefälligen Orden ins Leben zu rufen gebilligt wurde. Zwölf Jahre später starb sie und übergab ihr Schwert, die Wogenklinge an die nächste Ordensmarschallin, Praiane vom Berg. Mit der Zeit entwickelte sich unter Praianes Führung der Orden mehr und mehr zu einem Wanderorden, und so wurden sie Statuten aufgestellt, wonach alle Mitglieder nach dem Ablauf von 3 Jahren zum großen Konvent zusammenkommen sollten, um ihre Berichte über mögliche Gefahren für Kirche und Kaiserreich auszutauschen und einen neuen Ordensvorsteher zu wählen. Die Zwölf mal Zwölf Mitglieder des Ordens sollten so frei wie möglich in ihren Entscheidungen sein dürfen, im Gegenzug sollten sie aber ab dieser Zeit so gut wie keine Unterstützung mehr bekommen.

Ich hatte erfahren, dass einige der Ordensmitglieder in den noch immer aktuellen Gefechten mit den Schwarzpelzen im Norden gefallen sein sollten, und beschloss an diesem Abend, dem Orden dienen zu wollen. Kurzerhand setzte ich mich an den Tisch der Rondrianer und hielt mit meinem Begehr nicht hinter dem Haus. In bester Tradition endete auch dieser Abend mit einem feuchten Gelage und am nächsten Morgen stand ich vor der Ritterin der Göttin Jolande II von Arivor, Ordensmarschallin des Ordens des schützenden Schildes und Wahrung der zwölfgöttlichen Ordnung zu Mendena.

Die Frau Ende dreißig hatte das Gesicht einer verständnisvollen Travia- Geweihten, aber ihre Stimme konnte scharf wie bester Zwergenstahl werden, wenn sie jemanden zurechtweisen musste. Mir blieb dieses Schicksal erspart, vielmehr wurde mir eine einwöchige Meditation und Askese auferlegt, bei der mich die Göttin prüfen solle, ob der Orden das Rechte für mich sei.

Zwei Wochen später trug ich schon die Tracht der Mendeaner und besuchte auf Cankuna die Dörfer wie Muschelstrand, Schamahan und Misastein, um die Spendengelder einzusammeln. In den nächsten Wochen und Monaten durfte ich diese Ritte noch des öfteren machen, und hatte so Gelegenheit sowohl einige Freundschaften zu schließen, als auch erste Erfahrungen mit den Rot- und Schwarzpelzen zu machen, die in Tobrien auch in zivilisierteren Gegenden auftauchen.

Doch als zum dritten Mal die Silhouette des Ysilsees vor mir auftauchte, als ich zum vierten Mal im selben Wirtshaus in Ilsur übernachtete, hatte ich genug. Ich beschloss ein letztes Mal Beilunk zu besuchen und dann eine Reise nach Donnerbach zu machen, um im wichtigen Tempel hinter dem Donnerfall eine Antwort über meinen weiteren Weg zu erbitten.

 

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