04.09.2010
Man musste tapfer sein. Sagte zumindest Papa. Jetzt nicht mehr. Gestern aber schon noch. Man musste brav sein. Sagte zumindest Mama. Jetzt nicht mehr. Gestern schon noch. Man sollte ruhig und zu Hause sein. Sagten zumindestens Papa und Mama. Jetzt nicht mehr. Gestern schon noch.
Doch Angard konnte nicht mehr zu Hause sein. Auch nicht mehr bei seinen Eltern. Nur Trollpflock war ihm geblieben: seine geliebte Puppe, die man ihn aus einem Holzpflock, einem Bornapfel und etwas Wolle gebastelt hatte. Trollpflock war das letzte, was ihm verblieben war...

Mit seinen sechs Jahren hatte er gelernt zu wünschen. Anfangs hatte er sich gewunschen, dass das Ackerland perainegefällig fruchtbar bliebe. Doch dann kam die schwarze Asche. Dann die schwarzen Samen. Dann die schwarzen Knollen. Und dann die schwarzen Flecken auf der Haut.

Er hatte sich gewunschen, dass der Himmel wolkenlos blau blieb, und Praios gefällig sein Auge auf ihn richtete, um ihn zu schützen. Doch dann kam die schwarze Wolke. Dann der schwarze Regen. Dann das schwarze Blut, das aus den schwarzen Flecken rann.

Von da an hatte er sich gewunschen, dass er tot war. Es gab keine Hoffnung. Keine Möglichkeit auf ein normales Leben. Das Land war verdammt. Doch seine Eltern blieben. Beackerten jeden Tag das sterbende Erdreich. Gaben selbst das letzte an marodeurende Soldaten. Hungerten tagelang, damit ihnen kein Unheil durch fremdes Schwert zugefügt wurde. Ab und zu ging seine Mutter alleine mit den Fremden in den Wald. Dann blieb sein Vater zu Hause und weinte.

Angard wünschte sich an diesen Momenten, dass er niemals erwachsen würde. Denn als Kind konnte er das Unheil noch nicht verstehen, das seinen Eltern tagein tagaus beschert wurde. Er war einfach zu jung. Und seine Eltern taten alles, dass es bei seinem Unverständnis blieb.
Sie sprachen nie über diese Vorfälle. Sagten nur, er solle brav und tapfer sein.

Eines Tages kamen wieder die Fremden. Mit dem Wappenrock. Die schwarze Hand in roter Lohe darauf. Irrhalkengardisten. Sie waren der dritte Trupp, der die Woche kam. Und diesmal hatten seine Eltern wirklich nichts mehr zu Hause.

Das letzte, was er wusste, war, dass sein Vater ihn in den Keller geworfen hatte. Den Keller, in dem sein Vater abends immer stundenlang gearbeitet hatte, schon müde von der Arbeit am Feld. Etwas hatte ihn aber dazu angetrieben, dort unten zu graben.
Angard sah jetzt, woran sein Vater gearbeitet hatten. An einem Tunnel. Über ihn wurde der Holzverschlag geschlossen. Dann barst die Eingangstür. Soldatenstiefel trampelten herein. Befehle wurden gebellt. Kettenhemden klirrten. Waffen harrten der Opfer.

Als Mama und Papa zu schreien begannen, begann Angard zu laufen. Er klemmte Trollpflock unter den Arm und rannte so schnell er konnte.

Papa hatte weit gegraben. Irgendwann konnte er durch ein Loch ins Freie kriechen. Weit abseits der Kate der Eltern.

Wo Angard einst mit Mama und Papa gelebt hatte, war nur mehr schwarzer Rauch zu sehen. Angard wusste, dass das Feuer noch länger wütete. Er wusste, dass sein Leben niemals normal war. Normal sein würde. Aber er wusste auch, dass ab jetzt seine Kindheit vorbei war. Dass seine Eltern fort waren. Dass er alles verloren hatte. Nun ja, alles außer Trollpflock.

Und dann wünschte sich Angard, dass eines Tages Männer kämen. Vielleicht aus Weißtobrien. Vielleicht sogar aus Gareth. Männer wie ein Raidri Conchobair. Dass sie einfach kamen und alle töteten. Jeden Irrhalkengardisten. All die Plünderer und Schänder.
Dass sie Rache nahmen für das, was sie Angard und seinen Eltern angetan hatten.
Zum Schluss sollten sie Angard mitnehmen, fort von hier. In ein friedliches Land. Denn dort konnte er in aller Ruhe lernen, wie man ein Schwert führte.
Dann wollte Angard zurückkehren. Er wollte jenen dann helfen, die wie er an diesem Tag in größter Not alleine standen.
Jenen, die sogar schon zu erschöpft schienen einfach nur zu wünschen...
  1. Mit diesem letzten Kommentar möchte ich euch willkommen heißen zum nächsten Abenteuer...

    ... diesmal ist es wirklich der letzte...

    ... denn Angards Geschichte kann ich nicht mehr übertreffen.

 

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